Ich zeige hier  auf dem Bilde (Fig. 1 auf der hinten angehefteten Tafel) die Gewichtsschwankungen[1] der circa 130 Kinder[2] in meinem Institute, 2 Jahre hindurch, vom 11. Mai an. Zuerst bemerken sie, meine Herren, dass das Wachsthum der Kinder das Jahr hindurch ja nicht nach einer geraden, schräg aufsteigenden Linie (einer Gewichtssteigerungslinie) geschieht, sondern dass die Kurven sehr gegliedert und fein gegliedert sind, und dass die Steigungen ganz bedeutend verschieden sind in den verschiedenen Gruppen des Jahres. Sie sehen eine sehr grosse Übereinstimmung zwischen den Gewichtsschwankungen in beiden Jahren, ebenso eine schlagende Übereinstimmung zwischen den Schwingungen der Knaben unde denen der Mädchen.  H i e r  - verlieren Knaben und Mädchen in schöner Eintracht täglich alle an Gewicht 2 Monate hindurch;  h i e r  - nehmen sie im Laufe der Ferien schnell an Gewicht zu;  h i e r  - nach den Ferien in die Anstalt zurückgekehrt, geschieht das Wachsthum noch schneller; - dann werden sie plötzlich mit einander darin einverstanden, still zu stehen, ganze 8 Tage hindurch, - dann in anderen 16 Tagen werden sie alle Tag um Tag immer schwerer u.s.w. Eine merkbare Übereinstimmung in der Schwingungsbewegunden der beiden Jahre sehen Sie hier, und hier , und wiederum hier[3].

            Sie haben, meine Herren, gewiss schon bemerkt, dass die 2 jahreskurven beide übereinstimmend in 3 deutliche , sehr verschiedene Hauptabtheilungen zerfallen.

            D i e  e r s t e  P e r i o d e  von den ersten Tagen im Mai bis in den Juli hinein zeigt in jedem der 3 Jahre[4] 1882, 83 und 84, einen merklichen Gewichtsverlust:  die c. 70 Knaben verlieren nach  und nach 50 bis 90 Pfund[5] an Gewicht, die c. 60 Mädchen gegen 60 Pfund. Die 130 Kinder sind hier  (Mitte  Juli 1882) volle 240 Pfund unter der Gewichtssteigerungslinie.

            Während der ersten Hauptperiode des Jahres, der drittehalb Monate vom Anfang des Mai an, nahmen die Kinder also an Gewicht ab. Die  Z w e i t e   P e r i o d e   dagegen, die in den Ferien im Juli ihren Anfang genommen hat, zeigt in beiden Jahren (1882-83) eine sehr schnelle Gewichtszunahme bis gegen Ende Dezember hin.  Welcher Gegensatz zwischen den Gewichtsbewegungen dieser beiden Perioden !  -  In den 20 Tagen hier, vom 1sten September 1882 an, nehmen Knaben und Mädchen zusammen 160 Pfund, d.h. 8 Pfund täglich, an Gewicht zu, während sie in der vorigen Periode in diesen 20 Tagen vom 25. Mai an über 60 Pfund verloren haben  -  3 Pfund täglich verloren.

            D i e  d r i t t e  P e r i o d e  scheint sich von Anfang Januar bis gegen den Mai zu erstrecken, und zeichnet sich durch eine langsame Gewichtszunahme aus, die fast der Gewichtssteigerungslinie folgt.

            In jedem der beiden Jahre war also eine Periode der langsamen Gewichtszunahme von Anfang Januar bis gegen den Mai, demnächst eine Periode des Gewichtsverlustes von Anfang Mai bis in den Juli und zuletzt eine des schnellen Anwachsens, Mitte Juli bis Ende December.

            Schon das hier Gezeigte  wird uns einige praktische Winke geben können:
            1) Wenn ich das Lineal hier (Fig. I) horizontal von diesem ersten Januar bis gegen den 30. Juni in diesem Jahre, 1884, lege, dann sieht mann, wie das geringe Wachsthum in der Periode Januar bis Ende April von dem Verluste in der nachfolgenden Periode ganz aufgehoben werden kann. Man hätte ja doch glauben sollen, dass 130 gesunde Kinder unter guten und normalen Verhältnissen ein halbes Jahr hindurch  hätten an Gewicht bleibend zunehmen müssen;  dennoch, wie Sie sehen, meine Herren,  e s   k a n n   g a n z   n o r m a l   s e i n,  d a s s    K i n d e r  e i n   h a l b e s   J a h r   h i n d u r c h   a n    G e w i c h t    N i c h t s   g e w i n n e n. Wüssten alle Eltern dieses, würden sie sich mitunter Sorgen über Gewichststillstand  ihrer Kinder ersparen können.

            2) Wie gross die gezeigten Schwankungsunterschiede sein können, werde ich durch ein einzelnes Beispiel darthun:  In den 270 Wägetagen vom 11. Mai 1882  (Fig. I) bis Ende Februar 1883 (die Ferien ausgeschlossen) nahmen die Kinder im Ganzen 276 Pfund zu; von diesen 276 Pfund fallen die 229 Pfund auf nur 51 Tage, während der kleine Rest auf alle übrigen Wägetage vertheilt ist. Also:  I n  d e n  g e d a c h t e n   5 1  T a g e n   n  a h m e n   d i e   K n a b e n   i m  
D u r c h s c h n i t t   u n d   t ä g l i c h   2 0   M a l   s o   v i e l   a n   G e w i c h t   z u   a l s   i n   d e n   2 1 9   T a g e n.

            3) Wenn sie sich nun, meine Herren, diese nicht an einander liegenden Berge und Thäler (Fig.  I) ansehen, dann wird es deutlich werden, dass periodische,  w e i t   v o n   e i n a n d e r   g e t r e n n t e   W ä g u n g e n, welche angestellt werden, um zu sehen, wie ein im Genesen begriffenes Kind, oder solche Kinder, die von den „Ferienkolonien“ zurückkommen, sich an Gewicht verhalten – dass solche periodische Wägungen sehr  w e r t h l o s e   u n d   f a l s c h e   R e s u l t a t e   geben können.

            Hiervon  ein Beispiel.  Sie sehen hier (Fig. 2) die Gewichtskurven dreier Knaben (oder dreier Klassen von Knaben), die in den Ferienkolonien gewesen sind. Weil diese 3 Kinder täglich gewogen sind, ist es leicht zu sehen, welcher von ihnen kräftig an Gewicht zunimmt, nämlich dieser (Nr. 1), und welcher im Stillstand begriffen ist, dieser (Nr. 3). Gesetzt aber, man hätte auf gewöhnliche Weise den Zuwachs dieser Kindernach den Ferien bestimmen wollen, und hätte sie alle an diesem Tage (A.), dem Tage der Heimkehr von den Ferien, gewogen, und dann wiederum an diesem Tage (B.) alle, einen Monat (z.B.) nach der Heimkehr (diese Art Wägung geschieht ja, wie Sie wissen, meine Herren, häufig),  - was wäre dann das Resultat gewesen? Man würde dann gefunden haben, dass dieser Knabe (Nr. 3), oder die Knabenabtheilung, an Geweicht 30 zugenommen hätte.  Also: der durch die täglichen Wägungen als stillstehend gestempelte Knabe würde nach den 2 vereinzelten Wägungen ganz irrig für den kräftigsten gehalten werden, während dagegen Nr 2 – hier – nach den zweimaligen Wägungen ebenso fehlerhaft für den schwächeren gehalten werden könnte, und der kräftigste Knabe (Nr. 1) für einen im Stillstand begriffenen.  D i e   g e w ö h n l i c h e n, b i s   j e t z t   a u c h   v o n   d e r   W i s s e n s c h a f t   b e n u t z t e n   v e r e i n z e l t e n   W ä g u n g e n  k ö n n e n   a l s o   i m   h ö c h s t e n   G r a d e   i r r e l e i t e n d   u n d   s o m i t   s c h ä d l i ch   s e i n, während dagegen die täglichen Wägungen feste und zuverlässige Resultate geben müssen.

            Über das Warum der gezeigten, merkwürdig verschiedenen 3 Gewichtsperioden  in jedem Jahre muss ich bis auf weiteres schweigen. Nur in Betreff  dieser auffallenden Stockungen und vereinzelten Gewichtsverluste (Fig. 1) werde ich mir eine kurze Bemerkung erlauben, indem ich in Betreff des Weiteren hierüber auf meine Brochüre[1] verweise ; dieselbe wird nach der Zusammenkunft an etwaige Liebhaber vertheilt werden.

            D i e s e  H e m m u n g e n  u n d  V e r l u s t e  s t i m m e n  i m  A l l g e m e i n e n  m i t  T e m p e r a t u r v e r ä n d e r u n g e n  d e r  A t m o s f ä r e  ü b e r e i n. Dieses Anwachsen eines Gewichtsberges deutet auf eine im Verhältnisse zu den vorhergehenden Tagen erhöhte mittlere Wärme. Es ist eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Wärmeschwankungen von je 3. Besonders von je 5 Tagenund den Gewichtsschwankungen der Kinder in derselben Zeit vorhanden; Wärmezunahme und Gewichtszunahme gehen zusammen. Sogar in der Sommerzeit bei dem grossen Gewichtsverluste wird derselbe geringer bei einem kleinen Steigen der Wärme. Es scheint, dass die folgende Regel bis auf weiteres als richtig angesehen werden dürfte:

            E i n e  A b n a h m e  d e r  W ä r m e  von 2° C. Von der mittleren Temperatur von 2 Tagen zu derjenigen der nächsten 5 Tage wird von einer Abnahme der Gewichtsvermehrung bis zu einem Neuntel begleitet.

            E i n e   W ä r m e s t e i g e r u n g  von 3° C. von der mittleren Temperatur von 5 Tagen bis zu der der nächsten 5 Tage wird von einer dreizehnfach erhöhten Steigerung der Gewichtsvermehrung  begleitet (siehe die Broschüre).

            Und ferner:  E i n   J a h r   m i t   v i e l e n   W ä r m e v e r ä n d e r u n g e n wird der normalen Gewichtsvermehrung eines Kindes weit ungünstiger sein als ein Jahr mit wenigen derartigen Schwankungen.  E i n e   R e i h e   v o n   m e h r e r e n   s o l c h e n   u n g ü n s t i g e n   J a h r e n   w i r d  m e h r e r e   J a h r g ä n g e  v o n   m i n d e r   k r ä f t i g e n   K i n d e r n   e r g e b e n,   u n d   u m g e k e h r t. Die Schwankungen der körperlichen und geistigen Kräfte der wechselden Generationen wurzeln vielleicht  z u m   T h e i l   in meteorologischen Verhältnissen.

            Betrachten wir  in dieser Beziehung  noch einmal Fig. 1.  In diesem Jahre hier, 1882, Spätherbst und Vorwinter, finden sich viele und bedeutende Wärmeabnahmen, und zugleich viele und bedeutende Stockungen und Verluste in der Gewichtsentwickelung der Kinder. Hier dagegen, in derselben Zeit 1883 – nur wenige und kleine Wärmeabnahmen, und dann auch eine kräftige und freie Wachsthums-Entwickelung im Gegensatz zum vorigen Jahre.

            Die täglichen Wägungen geben auch über  d i e   E s s l u s t   meiner 130 Kinder einige Aufschlüsse. Ohne mich bei dem Einflusse der Esslust auf die Gewichtsschwingungen aufzuhalten, werde ich jetzt die Esslust-Kurven[1] (Fig.  3) der Kinder für ca. 7 Monate vorführen. Die tägliche Summe der Esslust aller 130 Kinder ein Jahr hindurch  würde also nicht durch eine horizontale Linie bezeichnet werden können. Es betreffen diese Kurven freilich nur das Mittagsessen, können aber ohne wesentliche Fehler als die Esslust-Kurven des ganzen Tages betrachtet werden. Sie sehen hier wiederum, wie schön Knaben und Mädchen zusammengehen. Hier im December nimmt der Appetit nach und nach ab bis zum 7. Januar. Vom 1. Bis 7. Januar hat jeder Knabe eine Woche hindurch  durchschnittlich  7⅓ Pfund zu Mittag gegessen (das Mittagsessen nebst Brod und Bier), jedes Mädchen dagegen nur 6⅕ Pfund alle 7 Mittage zusammen. Dann steigt die Esslust recht schnell und errreicht in der Mitte des März – nach verschiedenen Schwankungen – ihr Maximum, wo ein Knabe 9⅓ Pfund, ein Mädchen 7⅓ Pfund in einer Woche zu Mittag isst. Von der Mitte des März an sinken die Kurven , steigen wieder gegen Ende April und fallen dann durch den Mai und Juni bis zu dem Minimum (ein Knabe 7 Pfund, ein Mädchen 5 Pfund) gegen Ende Juni, wo die Ferien eintreffen.

            Also in der Mitte des März (die Mädchen auch im April), u n d   n i c h t   i n   d e r   k ä l t es t e n   Z e i t   d e s   J a h r e s, haben die Kinder am meisten gegessen.

            Maximum des Mittagsessen eines Knaben eine Woche hindurch ist, wie gesagt, über 9 Pfund, und Minimum 7 Pfund, oder: in dieser Woche  33% mehr zu Mittag gegessen als in jener! Das Maximum eines Mädchens ist über 7 Pfund und das Minimum 5 Pfund, ein Unterschied von 46%.

            Man wird ferner bemerken, dass die Knaben viel mehr als die Mädchen essen, und dass auch darin Schwankungen stattfinden.  Durchschnittlich essen die Knaben etwas über 18% mehr als die Mädchen, d.h., die Knaben essen ein Fünftel mehr als die gleichalterigen Mädchen, während sie bei weitem nicht so schnell wie die Mädchen an Gewicht zugenommen haben. Doch hierüber nur diese Andeutung.

            Das Mittagsreglement unserer Zöglinge hat eine Periode von nur 7 Tagen.  Jeden Sonntag werden dieselben Gerichte zu Mittag gegeben, jeden Montag andere u.s.w.  Es sei mir erlaubt hier zu zeigen, wie die Kinder verschiedene Mengen von den verschiedenen Gerichten essen. Montag: Erbsensuppe, Fleisch und Speck, jeder Knabe isst durchschnittlich nur 400 Gramm; - Dienstag: Fleischbrühe, Rindfleisch und Reis, viel mehr wird gegessen  sowohl von Knaben als von Mädchen, 700 Gramm, u.s.w.  Sie sehen ferner, wie diese wählerische Esslust sich bei sämmtlichen Kindern von Woche zu Woche  (ich habe hier die Esslust (Fig. 4) für 5 Wochen aufgezeichnet) ganz unverändert erhält, und wie Knaben und Mädchen hierin mit einander übereinstimmen. Zugleich ist ersichtlich , wie in diesen 5 Wochen, vom 3. März an, die Esslust sämmtlicher Kinder nach und nach abnimmt.

            Wir können aber die Vergleichung der Resultate der beiden Reglements ein wenig weiter führen. Während der Bier-Schwarzbrod-Zeit vom 11. Mai bis zum 30. Juni 1882 haben die Knaben 28 Pfund an Gewicht verloren, die Mädchen nur 5 Pfund;  in der Milch-Weizenbrod-Zeit aber vom 11. Mai bis zum 30. Juni 1884 verlieren die Knaben 83 Pfund und die Mädchen 56 Pfund an Gewicht.  Also ist der
G e w i c h t f a l l   der sämmtlichen Kinder in der genannten Zeit volle 106 Pfund grösser unter dem neuen Verköstigungsreglement als unter dem alten. Ich brauche Nichts hinzufügen.

            Meine Herren!  Die 4 vereinzelten Wägungen belehrten uns, dass das Milch-Weizenbrod-Albuminaten-Reglement unsern Kindern 8 Monate hindurch eine weit grössere Vermehrung des Körpergewichtes gegeben hatte als das alte fehlerhafte Reglement in dem vorhergehenden Jahre. Das lehrten uns die 4 vereinzelten Wägungen, während die täglichen Wägungen das Falsche dieser Annahme unumstösslich gezeigt haben, und haben die Massenwägungen zugleich  von Tag zu Tag zeigen können, wie die Gewichtssteigerung sich in dem einen Jahre zu der in dem anderen Jahre verhält, und fest bestimmen können, dass wir dem neuen, wissenschaftlich begründeten Reglement keine durch Wägung der Kinder festzustellenden Vortheile vor dem alten, fast lächerlichen Reglement beilegen können.

            Aber, aber, meine Herren, dass neue, wissenschaftlich begründete Reglement muss durchaus dem veralteten Reglement gegenüber bessere Resultate gegeben haben. Sind denn diese besseren Resultate nirgends zu spüren? – Gewiss, und ich werde Ihnen die sicheren und ganz bestimmten  Wirkungen des Milch-Weizenbrod- und Albuminaten-Plus zeigen. Hier (Fig. 1) sind die Wirkungen  zu sehen; in diesen – nur 21 Tagen, und nur in diesem kleinen Theil der Jahresherrschaft des neuen Reglements, sind die guten Wirkungen desselben ersichtlich.  Die Knaben und Mädchen haben hier vom 1. bis  15. Mai 1883 die gewöhnliche  Gewichtsabnahme begonnen.  Den 16. kommt die Reglementsverbesserung , und schon vom 18. an  (anstatt die Gewichtsabnahme fortzusetzen) nehmen jetzt Knaben und Mädchen, alle 130 Kinder in schönster Eintracht, gewaltig an Gewicht zu. Es dauert aber diese Gewichtszunahme, die so gross ist wie die Zunahme in den besten Gewichtssteigerungszeiten, nur 21 Tage; vom 6. Juni an stehen Knaben und Mädchen 14 Tage still, und verlieren dann wiederum – wie früher – im Juni nach und nach an Gewicht.

            Das neue unfehlbare Verpflegungsreglement, für Jahre abgefasst, hat also nur 21 Tage genützt – hat also Nichts genützt.

            Es hat nichts genützt, Milch die Menge statt dünnes Bier zu geben; es hat nichts genützt, Weizenbrod statt Schwarzbrod zu geben; is hat nichts genützt, viel mehr von den das Wachsthum  fordernden Albuminaten zu verabreichen; es hat nichts genützt, dass die lächerliche Vertheilung der Fette und Kohlenhydrate gehoben wurde. Die Nahrungsmittel haben, einer Prüfung durch tägliche Wägungen sämmtlicher 130 Versuchsobjecte unterworfen, die ihnen beigelegten Werthe nicht behauptet. Es scheint auch, dass das alte Reglement die (im Verhältnis zu den gegebenen Kinderkörpern, deren Beschäftigung und deren äusseren Umständen) nöthige Menge der verschiedenen Nahrungsmittel verabreicht habe, und das deshalb die Körper das Plus der durch das neue Reglement gegebenen Kost nicht haben ausnützen können.

            Waren aber, wird man sagen, die localen und andere verhältnisse in der Anstalt  nicht besonders ungünstig in dem Milchjahre? Ich antworte:  Sämmtliche Öconomielieferanten waren dieselben in beiden Jahren, die Preise und die Waaren dieselben; die Öconoma, ja selbst alle die bei der Zubereitung des Essens thätigen Dienstmädchen, alle unverändert dieselben in den beiden Jahren.  Die Tagesordnung, die sämmtlichen Arbeiten der Zöglinge in der Schule, in den Werkstätten u.s.w. – alles unverändert, und in den beiden Jahren keine einzige epidemische Krankheit unter den Kindern. Kurz, ich darf sagen:  es ist kaum denkbar, dass die localen Verhältnisse in dem einen Jahre anders sein könnten als indem andern. Also – von hier aus keine schädlichen Einflüsse  in dem Milchjahre.

            Aber, wird man ferner sagen, es ist dieses ja nur ein vereinzeltes Resultat.  Ich darf antworten:  Es ist das Genannte Resultat nicht aus Experimenten mit nur einem oder zwei, drei Kindern in nur einzigen Tagen, sondern aus Experimenten mit 130 Kindern in 700 Tagen herangewachsen.

            Es haben diese hier aufgezeichneten Wägungen  alles in allem einen Werth von  über 90,000 Einzelwägungen, und – da die Knaben im Bierjahre zwei Mal täglich und in der meisten Zeit  des Milchjahres vier Mal täglich gewogen wurden, die Hälfte von den Mädchen ebenfalls, - so werden die genannten 90,000 Wägungen  von noch ebenso vielen andern Wägungen gestützt.

            Das heisst: Es steht hier der Werth von gegen 200,000 Einzelwägungen, und ich wage daher zu hoffen, dass die Endresultate meiner Untersuchungen eine recht breite, tiefe und feste Basis haben.

            Gesetz nun, meine Herren,  wir hätten nicht die täglichen Wägungen gehabt, sondern nur die vier erwähnten vereinzelten Wägungen, dann würden wir, wie früher gezeigt, fälschlich geglaubt haben, das neue Reglement wäre weit zweckmässiger  als das alte.  Und gesetzt ferner, dass wir doch in den ersten 14 Tagen die Resultate des neuen Reglements durch tägliche Wägungen der Kinder geprüft hätten,  wir wären dann (in voller Übereinstimmung mit der Ernährungs-Physiologie) genöthigt, den ebenso falschen Schluss zu ziehen, weil das neu Reglement, die neuen Speisen und die neue Speiseordnung in diesem 14 Tagen so gut und schöne Resultate gegeben hätten, so würden sie auch  a u f   d i e   D a u e r   solche gute Eigenschaften behalten.  -  Meine Herren!  Sie sehen deutlich den Werth der andauernden täglichen Wägungen, wenn es darum gilt, den wirklichen, den dauernden Werth der Nahrungsmittel zu bestimmen.

            Auf das jetzt Gewonnene gestützt dürfte vielleicht gesagt werden, dass nirgends in ähnlichen Instituten, Anstalten,  Internaten  u.s.w. ein altes Verpflegungsreglement nur auf Basis der jetzigen Ernährungsphysiologie verworfen werden darf;  es müssten die beiden Reglements, das alte und das geplante neue, auch durch   t ä g l i c h e   Wägungen (Messungen und Kraftbestimmungen) der Alumnen geprüft werden.  Ferner: Es scheint mir, dass die gewonnenen Resultate einen Hauptweg angegeben haben, worauf man durch Versuche in einer Menge Internate, die planmässig mit einander zusammenarbeiten, nach und nach zu einiger Klarheit über die a n d a u e r d e n   W e r t h e   der verschiedenen Nahrungsmittel, oder die beste,  gesundeste und den gegebenen Verhältnissen gemässeste Art der Verköstigung werden kommen können.

            Geben die Resultate der täglichen Wägungen  keine Winke in dieser Beziehung?  Ich glaube es, werde aber nur  -  mit Hinweisung auf die grosse Gewichtszunahme aller Kinder in den ersten 21 Tagen nach Einführung des neuen Reglements und in einer Jahreszeit, wo sonst ein Gewichtsfall  zu erwarten war  - sagen:  falls wir in dem Institute alle drei Wochen mit den beiden Reglements  wechselten, so würden wahrscheinlich die Resultate besser werden.  Es scheint also, dass diese Worte in der Physiologie von unserm  P a n u m  (Stofskiftets  Fysiologi, 1883, s. 89): „Eine solche Abwechselung  (der Ingredienzen  und der Zubereitung der Nahrungsmittel) ist durchaus nothwendig, weil eine gar zu einförmige Kost, auch wenn sie an sich gut und hinreichend ist, zuletzt so widerlich wird, dass dieselbe sogar bei heftigem Hunger unmöglich genossen und vertragen werden kann“,  -  dass diese Worte die grösste Aufmerksamkeit verdienen, und auch in Betreff „ der Abwechselung“  sehr geschärft  und erweitert  werden können.

            Als Hauptresultat des hier Gesagten und Vorgezeigten dürfte ich also schliesslich  dieses hinstellen : Es scheint wenigstens  e i n   Beweis geliefert zu sein, dass die Ernährungsphysiologie die  a n d a u e r n d e n   Wirkungen der verschiedenen Nahrungsmittel auf das fortgesetzte  Wachsthum des menschlichen Körpers nicht gekannt habe, und dass wir auf dem gezeigten Wege hoffentlich nach und nach diesen Wirkungen werden nachspüren können.

            Es werden sich hier ungemein viele Einzelaufgaben einstellen,  und ungeheuer viele Arbeit nothwendig werden.  Möchte ich doch einige von den geehrten Herren für die Durchprüfung  aller der schon gewonnenen Resultate meiner Wägungen und Messungen, und demnächst vielleicht für die Theilnahme an solchen, zugleich planmässigen und regulirten Arbeiten bei verschiedenen Internaten in verschiedenen Ländern gewonnen haben. Handelt es sich ja doch um das Höchste in der Ernährungsphysiologie, die Bestimmung der Nahrungswerthe, und handelt es sich um das körperliche, zugleich dann auch geistige Gedeihen, das volle und kräftige Gedeihen unserer Kinder, um die Kräftigung künftiger Geschlechter.

Report from the International Medical Congres in Copenhagen, 1884

Research, transcription and footnotes by Jørgen Malling Christensen and Sverre Avnskog.

Malling-Hansen's lecture was also printed in the official report from the congress in Copenhagen, published in 1886. Sverre found the report, in four large volumes, at the Norwegian National Library. A short discussion that followed Malling-Hansen's lecture is also printed. The text documents the important and very supportive comments from the chairperson of the session, Dr. Rauchfuss, as well as from Prof Jacobi, in response to the presentation by Malling-Hansen.

(Malling-Hansen’s presentation[1] is printed on pages 103 – 118. His presentation is followed by a short discussion, with comments by the chairperson, Dr Rauchfuss of St. Petersburg and by Prof. Jacobi of New York):

Extract from page 118 :

DISCUSSION.

DR. RAUCHFFUSS[2], de St. Pétersbourg:  Meine Herren! Es scheint mir, dass gegenüber so grossartigen Untersuchungen, in denen eine solche Fülle von Arbeit und so neue Gesichtspuncte nach einem erst während des Vortrags sich entwickelnden Plane und in so kurzer Zeit uns vorgeführt werden, es einer gewissen Sammlung bedarf, um Fragen zu stellen oder Meinungen auszusprechen. Nicht in diesem, einer Discussion zunächst entsprechenden Sinne, ergreife ich das Wort. – Ich möchte nur darauf hinweisen, dass mit den späteren Messungen und Wägungen des Herrn Malling-Hansen in den späteren Perioden des Kindesalters eine für die Physiologie dieser Altersperiode wie für die wissenschaftlichen und praktischen Bedürfnisse der Pädriatrie in gleichem Masse bedeutungsvolle Lücke in unserem Wissen sich auszufüllen beginnt.  Wir haben ganz neue Untersuchungsreihen vor uns, die schon lange ein dringendes Bedürfniss waren.  Wir verlassen diesen Vortrag gewiss Alle mit der gleichen Anregung zu ähnlichen eigenen Forschungen, oder doch zur Förderung derselben in unserer Heimath, und mit dem Wunsche, die heute von uns bewunderten Untersuchungen möchten durch eine auf alle Details eingehende Veröffentlichung recht bald Gegenstand unseres Studiums werden, dem wir uns dann mit Musse und eingehend werden widmen können.  Für heute müssen wir uns darauf beschränken dem Herrn Malling-Hansen unseren tiefgefühlten Dank für das Gehörte auszusprechen.

Prof. JACOBI[3], de New-York:  Die Bedeutung der vortragenen Arbeit stelle ich so hoch wie Prof. Rauchfuss. Aber man muss nie aus dem Auge verlieren, dass Gewicht und Gesundheit nicht parallel zu gehen brauchen. Mässige Gewichtszunahme ist nur eines der Symptome der Gesundheit eines Organismus oder eines Organes. Auch die beliebten Kinderwägungen sind nicht so conclusiv  wie der Enthusiasmus geglaubt hat. Rachitische Kinder sind oft fett und wiegen schwer.  Die physiologischen Gesetze werden also nicht umgestossen, wenn man sagt, dass eine kohlenstoffhaltige Nahrung mehr Gewicht macht als eine albuminhaltige.  Trotz der Möglichkeit der Existenz, auch unter ungünstigen Umständen, muss doch als Regel gelten, dass die Nahrung des Organismus den chemischen Bestandtheilen des Organismus einigermassen entsprechen muss.

Dr. RAUCHFUSS:  Ich bin mit dem von Prof. Jacobi Gesagten vollkommen einverstanden, soweit es sich im Allgemeinen auf die Vernachlässigung gewisser Cautelen in der Verwerthungsresultaten handelt. So hat man zuweilen den Erfolg gewisser Ernährungsmethoden, besonders bei der vergleichweisen Anwendung verschiedener Surrogate der Muttermilch, zu einseitig durch die Zunahme des Körpergewichts zu beweisen gesucht und gegen solche Einseitigkeiten richten sich die Bemerkungen des Prof. Jacobi. Im gegebenen Falle scheint mir im ganzen Untersuchungsplan, so wie in dem Umstande, dass Forscher, Pädagog und Anstaltsdirector einer Person sich vereinigen, -  die Garantie gegen solche einseitige Schätzung der Wägungsresultate zu liegen.

            Aber selbst, wenn wir von dem ganzen Plan und den verschiedenen Fragen absehen, welche sich Herr Malling-Hansen im Verlaufe seiner Untersuchungen gestellt, so ist schon die Tatsache an sich, dass er die Wissenschaft mit täglichen Wägungen und Messungen bereichert, welche sich über einen grossen Abschnitt des Kindesalters erstrecken, von unschätzbarem Werthe.

            Wenn wir zurückdenken an die Zeit, als wir nur die monatlichen Wägungen und Messungen von  B o u c h a u d  für das Säuglingsalter, und die jährliche von Q u e t e l e t[4]   für das spätere Kindesalter besassen und auf diesen lückenhaften und zum Theil nicht direct beobachteten, sondern erst berechneten Zahlen unserer Vergleiche und Schlüsse aufbauten, wie wir dann alle erfreut waren über die fortlaufenden Wägungen  F l e i s c h m a n n´s   u. bes.  A h l f e l d t´s  und der Weningen,die ihnen nacheiferten, und wie wir dann schliesslich in den Untersuchungen von  K o t e l m a n n[5],  B o w d i t c h[6],  P a g l i a n i[7]  über das spätere Kindesalter, trotz des grossen Materials, welches hier zusammengetragen wurde, doch nur Mittelzahlen für die einzelnen Lebensjahre ohne inneren Zusammenhang besitzen, dann können wir für das, was uns heute geboten wurde, nich dankbar genug sein.  Haben wir uns doch begnügen müssen mit jenen Mittelwerthen aus grossen Zahlen und sie als massgebend acceptiren müssen, wenn wir gleich nicht wussten, ob die Körpergewichtszunahmen, welche in denselben enthalten sind, per fas oder per nefas[8] erworben wurden.

            Wenn wir nach dem Allen auch nur den täglichen, fortlaufenden Wägungen und Messungen Herrn Malling-Hansen´s, mit ihren Beziehungen zu Alter und Geschlecht, selbst abgesehen vom Plane seiner Untersuchungen, von den Schlüssen und Anregungen, die sich daraus ergeben, gegenüberständen, so müssten wir auch dann sagen: es ist eine wesentliche Lücke unserer Kenntnisse über die Wachsthumsverhältnisse durch einen reichen Beitrag von Thatsachen ausgefüllt worden.

            Pastor MALLING-HANSEN dankte der Versammlung und zeigte durch Citate aus dem gehaltenen Vortrage, dass er mit Prof. Jacobi ganz einverstanden sei, wie auch, dass das betreffende Verköstigungsreglement in voller Übereinstimmung mit der Wissenschaft wäre, dass sich dasselbe also nicht das Fettmachen der Kinder zur Aufgabe gestellt habe, sondern dass es eine gesundere und kräftigere Entwicklung als diejenige, welche das veraltete Reglement vermeintlich geben könne, bezweckt habe, und somit auch eine grössere Gewichtszunahme der Kinder als früher anstrebe. Wider alles Erwarten habe (wie gezeigt) das neue Verköstigungsreglement diese Zwecke nicht erreicht.

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